Inklusion ist mehr als nur ein Schlagwort – sie ist ein grundlegendes Recht. Doch oft stehen neurodivergente Menschen sowie Personen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen vor besonderen Herausforderungen in Schule, Studium und Beruf. Der sogenannte Nachteilsausgleich sorgt dafür, dass diese Herausforderungen nicht zu unfairen Benachteiligungen werden. Doch was genau bedeutet das? Welche rechtlichen Grundlagen gibt es, und für wen gilt der Nachteilsausgleich? Wir klären auf!
Was ist der Nachteilsausgleich?
Der Nachteilsausgleich ist ein zentraler Bestandteil des Bildungssystems, der speziell für Schüler:innen und Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen entwickelt wurde, um diese bei der Leistungserbringung zu unterstützen und Chancengleichheit herzustellen. Dabei geht es um Menschen, deren Leistungen durch Einschränkungen wie ADHS, Legasthenie, Dyskalkulie, Autismus, chronische Erkrankungen oder andere psychische oder körperliche Herausforderungen beeinträchtigt werden. Um hier faire Bedingungen zu schaffen, ist es oft notwendig, individuelle Anpassungen vorzunehmen. Denkbar sind abweichende Prüfungsmethoden (z.B. Ersetzen von mündlichen durch schriftliche Leistungen und vice versa, individuelle Zeitverlängerungen), Arbeitsbehelfe oder technische Hilfsmittel (z.B. Kopfhörer, Avatare, Lesegeräte), speziell aufbereitete Lernmaterialien (z.B. vergrößerte Schrift), strukturelle Anpassungen (z.B. individuelle Arbeitspläne, Schritt-für-Schritt Anleitungen), räumliche Anpassungen (z.B. ablenkungsarme Umgebung, Sitzplatzanpassung, Orientierungshilfen), u.v.m. Zur individuellen Abstimmung der Maßnahmen kann eine psychologische Diagnostik wertvolle Hinweise liefern. Diese Maßnahmen helfen nicht nur Schüler:innen, sondern auch Studierenden und Arbeitnehmer:innen, ihre Potenziale voll auszuschöpfen.
Rechtliche Grundlagen
Der Nachteilsausgleich ist kein willkürliches Zugeständnis, sondern ein verbrieftes Recht. Diese Regelung beruht auf einer Vielzahl von rechtlichen Grundlagen, die festschreiben, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen bei der Leistungserbringung und -beurteilung angemessen unterstützt werden müssen. Er basiert auf:
- Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention
- Artikel 7 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes
- §18 Abs. 6 Schulunterrichtsgesetz
- §2 Abs. 4 der Leistungsbeurteilungsverordnung
Im Rahmen dieser rechtlichen Grundlagen sind alle Lehrkräfte verpflichtet, den Nachteilsausgleich zu berücksichtigen, wenn Schüler:innen aufgrund einer Behinderung oder einer länger andauernden chronischen Erkrankung beeinträchtigt sind. Das bedeutet, dass die Schulen und Lehrkräfte bei der Leistungsbewertung und -beurteilung individuelle Anpassungen vornehmen müssen, um Benachteiligungen auszugleichen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass der Nachteilsausgleich in Österreich noch zu wenig bekannt ist. Viele Schulen und Lehrkräfte sind sich nicht bewusst, wie viel Spielraum sie haben, um auf die Bedürfnisse der betroffenen Schüler:innen einzugehen. Zudem gibt es immer wieder Missverständnisse und falsche Informationen – eine häufige, aber falsche Aussage lautet etwa: „In Österreich gibt es keinen Nachteilsausgleich.“
Der Nachteilsausgleich ist nicht auf die Pflichtschule beschränkt, sondern gilt für alle Schularten und -stufen in Österreich, einschließlich der Oberstufe und Universitäten. Auch wenn manche Gymnasien oder höhere Schulen glauben, dass diese Regelungen nicht für sie gelten, so sind sie doch verpflichtet, den Nachteilsausgleich zu berücksichtigen. Universitäten haben darüber hinaus eigene Programme entwickelt, um Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen Unterstützung zu bieten, und auch im Universitätsgesetz ist das Recht auf einen Nachteilsausgleich fest verankert.
Fazit: Ein Schritt in Richtung Chancengleichheit
Der Nachteilsausgleich stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung eines inklusiven Bildungssystems dar, das allen Menschen, unabhängig von ihren physischen oder psychischen Herausforderungen, faire Chancen bietet. Er sorgt dafür, dass Schüler:innen und Studierende mit Beeinträchtigungen ihr volles Potenzial entfalten können, ohne auf unüberwindbare Hürden zu stoßen. Gleichzeitig bleibt noch viel zu tun, um das Bewusstsein für diese wichtigen Regelungen zu schärfen – sowohl in Schulen und Universitäten als auch in der breiten Gesellschaft. Durch kontinuierliche Aufklärung und die konsequente Umsetzung des Nachteilsausgleichs kann die Chancengleichheit weiter gestärkt werden.